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Was sind eigentlich Schmerzen und wie bekommst du sie weg?

Für den Begriff Schmerz gibt es zahlreiche Definitionen. International anerkannt ist die
Definition der International Association for the Study of Pain (IASP)1.


„Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit einer aktuellen oder
potentiellen Gewebeschädigung einhergeht, oder mit Begriffen einer solchen Schädigung
beschrieben wird.“


Akuter Schmerz dient dabei als Warnsignal, das den Körper über drohenden oder bereits
eingetretenen Schaden informiert. Ein solch akuter Schmerz hat also eine wichtige Funktion,
um die körperliche Unversehrtheit zu bewahren oder wieder herzustellen. Schmerzen können
jedoch auch ohne Ursache auftreten oder bestehen bleiben, obwohl die Ursache nicht mehr
existiert. Diese chronischen Schmerzen haben ihre Warnfunktion verloren.


Ob akut oder chronisch, stark oder lang anhaltend, dumpf oder stechend, Schmerz stellt für
die Betroffenen eine enorme körperliche und emotionale Belastung dar. Somit ist Schmerz
nicht nur eine reine Sinnesempfindung, sondern auch ein unangenehmes Gefühlsereignis.

Schmerzentstehung

Die Schmerzentstehung folgt dem klassischen Reiz-Reaktions-Mechanismus. Wird der Körper mit einem schädlichen Reiz konfrontiert, registrieren das sogenannte Nozizeptoren. Diese Schmerzrezeptoren sind sehr zahlreich in der Haut, aber auch in der Muskulatur, der Knochenhaut oder in Gefässwänden und inneren Organen zu finden.

Nozizeptoren sind weitverzweigte Endigungen von speziellen Nervenzellen, die auf verschiedene Schmerzursachen reagieren. Ursachen können chemische, thermische oder mechanische Reize sein (z.B. Verätzungen, Verbrennungen oder eine Verletzung durch einen Unfall oder eine Operation).

Durch den Reiz kommt es zu einer Änderung des Membranpotentials (Transduktion) und zu einer Umwandlung in Aktionspotentiale (Transformation). Der Reiz wird so über das Rückenmark ins Gehirn geleitet. Je stärker der Reiz, desto mehr steigt die Anzahl der aktivierten Schmerzrezeptoren und freigesetzten Entzündungsmediatoren, und damit auch die Stärke des empfundenen Schmerzes.

Schmerzweiterleitung

Grundsätzlich unterscheidet man drei Arten der Schmerzweiterleitung: Die periphere Weiterleitung, die spinale und die zentrale Weiterleitung.

1. Periphere Weiterleitung

Die Weiterleitung nozizeptiver Impulse zum Rückenmark erfolgt über typische regenerative
Aktionspotentiale der nozizeptiven Neurone. Je nach Beschaffenheit und Funktion unterscheidet
man vor allem Aδ- und C-Fasern klassifiziert.

  • Die Aδ-Fasern (2-40m/s) sind mit einer dünnen Myelinscheide versehen. Sie leiten den
    ersten Schmerz und lösen den «Fluchtreflex» aus, wie z.B. das Wegziehen eines Körperteils
    von der Gefahrenquelle.
  • Die langsameren C-Fasern (0,5-1,5m/s) sind nicht myelinisiert und weisen dadurch eine
    deutlich langsamere Leitungsgeschwindigkeit auf.

Durch die unterschiedliche Leitungsgeschwindigkeit der primären Afferenzen kann es zum
sogenannten Doppelschmerzphänomen kommen: Nach dem Reiz setzt sofort eine helle,
stechende Schmerzempfindung ein (Aδ-Fasern)
, gefolgt von einem zweiten, oftmals als
dumpf, brennend empfundenen Schmerz (C-Fasern). Eine Unterbrechung der Fortleitung
durch Lokalanästhetika kann therapeutisch (Leitungsanalgesie), aber auch diagnostisch
angewendet werden.

2. Periphere Weiterleitung


Die aus der Peripherie kommenden sensorischen Nervenfasern enden spinal im Hinterhorn
des Rückenmarks. Die Nervenimpulse werden dort an erregenden Synapsen auf das zweite
sensorische Neuron (nozizeptives Projektionsneuron) umgeschaltet. Interneurone sind in
Reflexkreise eingeschaltet oder beeinflussen die Weiterleitung des Reizes ins Gehirn, indem
sie diese fördern oder hemmen. Zusätzlich verschalten zahlreiche Interneurone die Neurone
segmental und vertikal zu einem komplexen Netzwerk.

Viszero-somatische Konvergenz
Die Neurone im Rückenmark können Input sowohl von der Hautoberfläche als auch von den
inneren Organen (viscerum) erhalten. In diesen Fällen können höhere Hirnzentren die Quelle
der Schmerzerregung nicht mehr eindeutig zuordnen.
Diese sogenannte viszero-somatische Konvergenz wird als Ursache für den übertragenen
Schmerz angesehen. Dies führt dazu, dass Betroffene den Schmerzreiz eines viszeraen Organs
als Schmerz in einem Haut- oder Muskelareal empfinden können (Head-Zone).

Synaptische Übertragung
Ankommende Schmerzreize setzen erregende Neurotransmitter frei, die die Schmerzinformation, also das Aktionspotential, an den Synapsen vom ersten auf das zweite Neuron übertragen. Der wichtigste dieser Neurotransmitter ist Glutamat. Bei länger andauerndem nozizeptiven Input kann die Aktivität durch verschiedene Mechanismen gesteigert werden, unter anderem durch die Freisetzung von Substanz P, Neurokinin A oder das Neuropeptid CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide). Die Neurotransmitter binden postsynaptisch an verschiedene Glutamatrezeptoren, etwa AMPA-Rezeptoren oder NMDA-Rezeptoren und bewirken dort ein Aktionspotential, das über die nozizeptiven Projektionsneurone zum Gehirn weitergeleitet wird.

3. Zentrale Weiterleitung

Ausgehend vom Hinterhorn des Rückenmarks kreuzen die Axone 2. Ordnung über die vordere Kommissur die Mittellinie des Rückenmarks und bilden im Vorderseitenstrang den sogenannten Tractus spinothalamicus. Die aufsteigenden Fasern des spino-thalamischen Trakts bilden Kollateralen in verschiedenen Höhen: Auf spinaler Ebene aktivieren sie komplexe motorische Reaktionen (Fluchtreflexe, Abwehrbewegungen) und sympathische Reflexe (z.B. Vasokonstriktion im Schmerzgebiet). Im Hirnstamm dagegen werden vegetative Reaktionen gesteuert wie Herzfrequenz- und Blutdruckanstieg oder Schweissproduktion.

Schmerzverarbeitung im Gehirn

Ein definiertes Schmerzzentrum im Gehirn gibt es nicht, vielmehr sind verschiedene Hirnregionen und Strukturen in die Wahrnehmung, Verarbeitung und Bewertung der Schmerzsignale miteinbezogen. Man unterscheidet ein laterales System von einem medialen System schmerzleitender Nervenbahnen.

  • Laterales System: der sogenannte Tractus spinothalamicus lateralis dient hauptsächlichder Schmerzwahrnehmung und Differenzierung von Schmerzreizen.
  • Mediales System: der Tractus spinothalamicus medialis dient der Bewertung und emotionalen Verarbeitung von Schmerzreizen.

Nicht nur der somatische Input beeinflusst das Schmerzerleben. Vielmehr ist das Schmerzempfinden von individuellen Hintergründen abhängig wie ethnische Herkunft, Erziehung und soziokulturelles Umfeld, aber auch von psychischen Faktoren: Lassen Angst, Trauer, Isolation, Sorgen und Schlaflosigkeit die Schmerzschwelle sinken, sorgen Entspannung, Freude, Zuwendung, Ablenkung und ausreichend Schlaf für eine Erhöhung der Schmerzschwelle.

Chronische Schmerzen

Von einer Chronifizierung des Schmerzes spricht man, wenn der Schmerz seine eigentliche
Funktion als Warn- und Schutzsignal verloren hat, keine erkennbare physiologische Ursache
mehr besitzt und länger als drei Monate anhält oder über einen langen Zeitraum in Intervallen
auftritt. Der Schmerz gilt dann als eigenständige Erkrankung.


Ursache für eine Chronifizierung kann zum einen eine unzureichende Schmerzbehandlung
eines akuten Schmerzes sein, zum anderen chronische und unheilbare Erkrankungen. Zu
den häufigsten chronischen Schmerzformen zählen Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und
Tumorschmerzen sowie Schmerzen aufgrund rheumatischer Erkrankungen. Mit zunehmendem
Lebensalter nehmen chronische Verläufe zu.

„Jeder fünfte Erwachsene in Europa leidet an chronischen Schmerzen. 25% davon können
nicht am gesellschaftlichen Leben voll teilhaben. Das hat körperliche und psychische
Auswirkungen – auf den Betroffenen selbst, auf seinen Partner, seine Kinder, die Eltern und
Großeltern, die Nachbarn und viele Andere.“
Joop van Griensven, Präsident der Europäischen Schmerz-Allianz

Für Betroffene stellen die andauernden Schmerzen eine enorme Belastung dar, die ihre Lebensqualität stark eingeschränkt. Das wiederum kann zu weiteren Erkrankungen wie Depressionen führen. Für eine korrekte Diagnosestellung ist beim chronischen Schmerz also eine erweiterte Untersuchung nötig, die neben einer speziellen Schmerzanamnese auch eine psychosoziale Anamnese beinhaltet.

Schmerzmodulation

Das Zentralnervensystem kann die Schmerzempfindung modulieren, d.h. verstärken oder hemmen. Im Zusammenhang mit der Schmerztherapie liegt das Augenmerk logischerweise auf der hemmenden Komponente der Modulation, welche durch vom Großhirn ins Rückenmark absteigende Nervenbahnen vermittelt wird. Diese kann medikamentös und nicht-medikamentös verstärkt werden.

Absteigende Schmerzhemmung
Die absteigende Hemmung ist ein körpereigener Abwehrmechanismus gegenüber Schmerzen.
Im Gehirn werden über absteigende Bahnen Hemmmechanismen aktiviert, die zur Schmerzmodulation
auf der Ebene der Wirbelsäule führen. Serotonin und Noradrenalin, die vom
Hirnstamm produziert werden, wirken auch auf die hemmenden Bahnen des Rückenmarks.
Während Serotonin sowohl schmerzhemmend (inhibitorisch) als auch schmerzverstärkend
(exitatorisch) wirken kann, führt die spinale Ausschüttung von Noradrenalin ausschliesslich zu
einer selektiven Schmerzhemmung.


Während des schmerzhaften Ereignisses werden Endorphine aus spinalen und supraspinalen Interneuronen freigesetzt. Sie binden an prä- und postsynaptische Opioidrezeptoren. Präsynaptisch reduziert die Aktivierung von Opioidrezeptoren die Transmitterfreisetzung; postsynaptisch
reduziert sie die Hyperpolarisierung der Membran. Diesen Mechanismus ahmen pharmakologische Schmerzmittel der Opiatstufe wie beispielsweise Morphin, Methadon, Codein, Tramadol, Fentanyl u.ä. nach.

PEMF in der Schmerztherapie

Derzeitige medizinische Ansätze zur Schmerztherapie umfassen pharmakologische, operative und physikalische Optionen. Zwar kann auf diese Weise vielen Patienten Schmerzlinderung verschafft werden, aber einerseits sprechen nicht alle auf diese Optionen an oder sind dafür geeignet und andererseits bergen medikamentöse und operative Therapieansätze ein nicht zu vernachlässigendes Risikopotential. Die am häufigsten verwendeten Medikamente zur Schmerzbehandlung sind sogenannte Nicht-Opioid Analgetika wie beispielsweise Ibuprofen, Paracetamol, Diclofenac oder Acetylsalicylsäure.

Sie wirken nicht nur schmerzhemmend, sondern oft auch antientzündlich und fiebersenkend. Allerdings ist auch ihre Nebenwirkungsliste, gerade in höheren Dosen, lang. Bei stärkeren Schmerzen sind Medikamente der Opiatstufe nötig, die zusätzlich noch ein hohes Sucht- und Missbrauchspotential besitzen und zu den psychoaktiven Substanzen zählen.

Für Menschen, die ihre Beschwerden durch konventionelle Schmerztherapie nicht unter Kontrolle bekommen oder nach anderen alternativen Ansätzen suchen, könnte PEMF eine Option sein. In einigen Forschungen war die Wirkung von PEMF vergleichbar mit der Verabreichung von 10 mg Morphin im Bezug auf die Schmerzreduktion2.

Magnetfelder beeinflussen die Schmerzwahrnehmung auf vielfältige Weise – sowohl direkt als auch indirekt.

  • Direkte Auswirkungen beziehen sich z.B. auf neuronale Aktivität, Calciumionenbewegung, Membranpotentiale, Endorphin- und Dopaminspiegel, Stickstoffmonoxid-Produktion und Nervenregeneration.
  • Indirekte Vorteile von PEMFs für die physiologische Funktion umfassen: Zirkulation Muskelaktivität, Ödembildung, Sauerstofftransport, Entzündungen, Heilung, Prostaglandin-Produktion, Zellstoffwechsel und Energiehaushalt der Zelle.

Mehrere Autoren haben die Forschung und die Erfahrungen mit der gepulsten Magnetfeldtherapie (PEMF) in Osteuropa3 und im Westen geprüft4. PEMFs wurden in vielen Bereichen und medizinischen Disziplinen intensiv eingesetzt. Sie waren am wirksamsten bei der Behandlung von rheumatischen und muskuloskeletalen Erkrankungen. Obwohl sich PEMFs als wirksames Instrument erwiesen haben, sollten sie immer in Kombination mit anderen therapeutischen Verfahren in Betracht gezogen werden.

Mechanismen und Schmerzzustände bei denen PEMFs präklinische oder klinische Wirksamkeit gezeigt haben:

  • Chronische Schmerzen des unteren Rückens5,6, einschliesslich Bandscheibenvorfall, Spondylose, Radikulopathie, Ischiasbeschwerden, Arthritis, Osteochondrose7
  • Kopfweh8, Migräne9, Nacken-10, Schulter- und Armschmerzen11
  • Chronische muskuloskeletale Schmerzen12,13,14
  • Neurologische Schmerzverarbeitung15
  • Abnahme der Anzahl von Opiatrezeptoren im Gehirn und der Schmerzwahrnehmung16,17 und Erhöhung der Schmerzschwelle18
  • Zahn-19 und Mund/Kiefer/Geschichtsschmerzen20
  • Knochenbrüche21
  • Schwellung und Ödembildung22
  • Arthrose23,24 und Coxarthrose25
  • Post Zoster Neuralgie26
  • Neuropathische Schmerzen27
  • Diabetische Neuropahtie28

PEMFs verschiedener Arten, Stärken und Frequenzen haben gute Ergebnisse bei einer Vielzahl schmerzhafter Zustände gezeigt. Verglichen mit der potenziellen Invasivität anderer Therapien und dem Risiko von Toxizität, Sucht und Komplikationen durch Medikamente, ist das Risiko von PEMFs äusserst gering. Das schafft eine legitime Basis für PEMFs eine potenzielle Ergänzung oder Alternative bei der Behandlung zahlreicher Schmerzzustände zu sein. Es ist allerdings noch mehr Forschung erforderlich, um die genauen Mechanismen und optimalen Behandlungsparameter für gegebene Anwendungen auszumachen.

1 Part III: Pain Terms, A Current List with Definitions and Notes on Usage. Classification of Chronic Pain, Second
Edition, IASP Task Force on Taxonomy, edited by H. Merskey and N. Bogduk, IASP Press, Seattle, 1994, pp 209-214.
2 Thomas AW, Prato FS. Magnetic field based pain therapeutics and diagnostics. Bioelectromagnetics Society, 24th
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5 Preszler, RR. A non-invasive complementary method of reducing chronic muscluar low back pain using permanent
magnetic therapy. A Thesis For the degree of Masters in Physician Assistant Studies University of Nebraska School of
Medicine, Physician Assistant Program, Lincoln, Nebraska, 2000.
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7 Mitbreit IM, Savchenko AG, et al. Low-frequency magnetic field in the complex treatment of patients with lumbar
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